“Links-grün-versiffte Predigten?”: Provokanter Tweet sorgt für giftige Debatte
- In einem Tweet hat “Welt”-Journalist Ulf Poschardt die Politisierung von Weihnachtspredigten angeklagt
- Politiker der Grünen und der SPD widersprachen ihm – beide Seiten überzogen sich mit Hohn
“Welt”-Chefredakteur Ulf Poschardt war offenbar verärgert. Noch am Heiligabend pöbelte der Journalist gegen die vermeintlich zu politischen Gottesdienste.
“Wer soll eigentlich noch freiwillig in eine Christmette gehen, wenn er am Ende der Predigt denkt, er hat einen Abend bei den Jusos bzw. der Grünen Jugend verbracht”, schrieb Poschardt auf Twitter.
Wer soll eigentlich noch freiwillig in eine Christmette gehen, wenn er am Ende der Predigt denkt, er hat einen Abend bei den #Jusos bzw. der Grünen Jugend verbracht?
— Ulf Poschardt (@ulfposh) December 24, 2017
Politisch ging es tatsächlich zu an Weihnachten. Papst Benedikt hatte in seiner Weihnachtspredigt zu mehr Mitgefühl für Flüchtlinge aufgerufen, die evangelische Pfarrerin Margot Käßmann hatte zuvor gegen den Kommerz und die Inhaltsleere des Weihnachtsfestes gewettert.
Haben diese Fragen einen Platz in einer Weihnachtspredigt? Poschardt sagt nein, Politiker der Grünen und auch der SPD widersprachen ihm. Ein Überblick über die teilweise hämisch geführte Debatte.
Peter: “Einmischung brauchen wir mehr denn je”
Die Grünen-Chefin Simone Peter antwortete auf den Tweet des “Welt”-Journalisten: “Dann sollte ich tatsächlich mal wieder in eine Christmette gehen. Hört sich gut an. Und Einmischung brauchen wir mehr denn je bei Ungleichheit, Abschottung, Klimakrise.”
Dann sollte ich tatsächlich mal wieder in eine Christmette gehen. Hört sich gut an.
Und Einmischung brauchen wir mehr denn je bei #Ungleichheit, #Abschottung, #Klimakrise. t.co/MszMtPVjms— Simone Peter (@peter_simone) December 25, 2017
SPD-Politiker Ralf Stegner twitterte ebenfalls darüber. “Wer nichts zu Krieg und Frieden, Not und Gerechtigkeitsfragen, Hunger und Flüchtlingen hören will, sollte die Weihnachtsgottesdienste der christlichen Kirchen wohl besser meiden.”
Wer nichts zu Krieg und Frieden, Not und Gerechtigkeitsfragen, Hunger und Flüchtlingen hören will, sollte die Weihnachtsgottesdienste der christlichen Kirchen wohl besser meiden.
— Ralf Stegner (@Ralf_Stegner) December 25, 2017
Sein Genosse Karl Lauterbach formulierte noch provokanter: “In der Christmette bei Jusos und Grüne Jugend fehlt ihm wohl der als Realismus getarnte Zynismus. Ich mag Gutmenschen”.
In der Christmette, bei Jusos u Grüne Jugend fehlt ihm wohl der als Realismus getarnte Zynismus. Ich mag Gutmenschen pic.twitter.com/M8XOFmF7lK
— Karl Lauterbach (@Karl_Lauterbach) December 25, 2017
“FAZ”: “Wie ‘links-grün-versifft’ sind Weihnachtspredigten?”
Schließlich befragte die “Frankfurter Allgemeine Zeitung” am Montag die Grüne-Jugend-Sprecherin Ricarda Lang über den Tweet. “Wie ‘links-grün-versifft’ sind Weihnachtspredigten?”, wollte die “FAZ” wissen.
Lang wurde deutlich: “Für uns ist Humanität ein gesamtgesellschaftlicher Anspruch – für Ulf Poschardt scheint Nächstenliebe hingegen eine links-grün-versiffte Marotte für Jusos und Grüne Jugend zu sein.” Das sage mehr über den Journalisten als über die Grünen aus.
Die Sprecherin der Grünen-Jugend nannte Poschardts Tweet “gehässig” und bot ihm an, mal bei der Organisation vorbei zuschauen. “Denn wenn ich mir so seinen Twitter-Account ansehe, könnte er, was faire Debattenführung angeht, dort noch einiges lernen.”
Poschardt: “Herrlich, wie dieser Tweet zerfetzt wird”
Poschardt fühlte sich durch die Kritik allerdings eher bestätigt. “Herrlich, wie dieser Tweet von einer Allianz aus SPD, Grüne, Juste-Milieu-Medien zerfetzt wird”, schrieb er später auf Twitter.
Und fügte hinzu: Quod erat demanstrandum, was zu beweisen war.
Herrlich wie dieser Tweet von einer Allianz aus #spd#grüne#justemilieu-medien zerfetzt wird #qedt.co/s3iG0o4gec
— Ulf Poschardt (@ulfposh) December 25, 2017
Sollte wohl heißen: Dass sich gerade grüne und linke Anhänger und Politiker auf den Schlips getreten fühlte, belege, dass sie das “jüdisch-christliche Prinzip der Nächstenliebe exklusiv für sich in Anspruch” nehmen würde, wie Poschardts Kollege Filipp Piatov schrieb.
1. @ulfposh kritisiert Politisierung & Parteinahme von Religion.
2. Linke nehmen jüdisch-christiches Prinzip d. Nächstenliebe exklusiv für sich in Anspruch & verhöhnen unter #PoschardtEvangelium den Liberalismus als unchristlich.Merken die noch etwas?
— Filipp Piatov (@fpiatov) December 25, 2017
Später sprach Poschardt noch vom “Aufmarsch der Scheinheiligen” und vom “libidinösen Kern der vermeintlichen Moral”, gemeint war der Neid.
Langweilig waren die Feiertage so zumindest nicht.
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