Die CSU spürt: Die Zeiten absoluter Mehrheiten sind wohl vorbei
Der CSU-Parteitag war richtig terminiert – kurz vor Weihnachten, dem Fest der Liebe. Und so hatten sich in den Nürnberger Messehallen alle lieb – oder vermittelten wenigsten den Eindruck:
Angela Merkel und Horst Seehofer, die wegen der Flüchtlingskrise seit 2015 heftig zerstrittenen CDU-Vorsitzende und der CSU-Chef.
Das nächste “Liebespaar“: Seehofer und Markus Söder, der zum vorzeitigen Rückzug gezwungene bayerische Ministerpräsident und sein ungeliebter Nachfolger.
Doch nicht nur Weihnachten naht; es naht auch die in zehn Monaten anstehende bayerische Landtagswahl. Und die ist für die bayerische Staatspartei noch wichtiger als Weihnachten und Ostern zusammen.
Die CSU steckt in Schwierigkeiten
Der vorzeitige Ausbruch des Weihnachtsfriedens war nicht das einzige erwähnenswerte Ereignis des CSU-Parteitags. Das zweite: In allen Reden schimmerte durch, dass die CSU in Schwierigkeiten steckt, obwohl das Land unverändert keinen Vergleich zu scheuen braucht.
Ob bei der Beschäftigung oder dem Wachstum, ob bei Bildung oder Staatsfinanzen liegt Bayern im Ländervergleich vorn. Aber erstens gewöhnen sich die Leute an die vergleichsweise gute Lage, ohne lange darüber nachzudenken, wer dafür politisch verantwortlich ist.
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Zugleich spüren die Bayern auch, dass beispielsweise der Nahverkehr in den Ballungsräumen leistungsfähiger sein könnte, dass die umfassende Daseinsvorsorge in ländlichen Räumen bisweilen zu wünschen übrig lässt und dass Wohnraum in den Großstädten für Normalverdiener kaum noch erschwinglich ist, von eigenen vier Wänden ganz zu schweigen.
Der CSU hilft, dass die in den Umfragen bei 15 Prozent dahin dümpelnde bayerische SPD eine schwächliche Opposition darstellt. Die eigentliche politische Gefahr droht von rechts.
Seehofer konnte die AfD nicht bezwingen
Seehofers Opposition gegen Merkels Flüchtlingspolitik der offenen Tür hat die AfD nicht klein halten können. Bei der Landtagswahl im Herbst 2018 könnten zudem die ebenfalls am rechten Rand agierenden Freien Wähler den Wiedereinzug in den Landtag schaffen.
Auch wenn die CSU in den jüngsten Umfragen wieder bei 40 Prozent liegt, scheint die absolute Mehrheit in unerreichbarer Ferne zu liegen.
Markus Söder hatte deshalb im Vorfeld des Parteitags die Messlatte schon mal niedriger gelegt. Er verwies darauf, dass die CSU seit 2003 nie mehr “das klassische Ergebnis von 50 Prozent plus X“ erreicht hat.
Auch auf dem Parteitag legte er sich nicht auf das alte CSU-Maß fest. Womit er die Erwartungen, er könne 2018 locker an die alte CSU-Herrlichkeit anknüpfen, zu dämpfen suchte.
Das war natürlich vorbeugende Selbstverteidigung: Söder will sich nicht an unrealistischen Erwartungen messen lassen – und für zu leicht befunden werden.
“Uns zieht niemand die Lederhosen aus”
Wobei Seehofer ihm dabei half: Der scheidende Ministerpräsident nahm das Wort von der absoluten Mehrheit ebenfalls kein einziges Mal in den Mund.
Er agierte eher defensiv: “Wenn wir zusammenhalten, zieht uns niemand die Lederhose aus.“ Früher hatten die CSU-Mannen eher den konkurrierenden Parteien gedroht, ihnen die Lederhosen auszuziehen.
Franz Josef Strauß, der Übervater der Partei, hatte einst die Parole ausgegeben, rechts von der Union dürfe es niemals eine “demokratisch legitimierte Partei von Relevanz“ geben.
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Das haben seine Nach-Nachfolger nicht einhalten können. Sie beschwören dieses Ziel kaum noch.
Die eigentliche Botschaft von Nürnberg wurde nicht ausgesprochen. Aber sie war das zentrale Thema der Delegierten untereinander:
Die CSU richtet sich auf die neue parteipolitische Realität ein – auf Parlamente mit fünf oder sechs Parteien und ohne absolute Mehrheiten – selbst in Bayern. Das ist nicht etwas Ausdruck neuer christlich-sozialer Bescheidenheit. Es ist eher ein neuer weiß-blauer Realismus.
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