Ärztin wegen Abtreibung verurteilt – jetzt kämpft sie dafür, den Paragraphen abschaffen zu lassen



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Ärztin wegen Abtreibung verurteilt – jetzt kämpft sie dafür, den Paragraphen abschaffen zu lassen

  • Eine Gießener Ärztin will ein Gesetz aus der Nazi-Zeit kippen
  • Paragraph 219a des Strafgesetzbuches verbietet es Ärzten, Informationen zum Schwangerschaftsabbruch im Internet anzubieten
  • Die Bundestagsfraktionen von FDP, SPD, Grüne und Linke unterstützen die Petition der Abtreibungsärztin

“Manchmal ist eine Abtreibung die einzige Lösung in einem Konflikt”, sagt die Medizinerin Kristina Hänel. “Ich betrachte es als meine Pflicht, diesen Menschen zu helfen.” 

Vor kurzem hat ein Gericht die Gießenerin wegen unerlaubter Werbung für Abtreibung zu einer Geldstrafe von 6000 Euro verurteilt. Hänel hatte auf der Webseite ihrer Praxis darauf hingewiesen, dass sie Abtreibungen anbietet.

Das aber verbietet der Paragraph 219a des Strafgesetzbuches. Kristina Hänel startet daher eine Petition, um den Paragraphen zu streichen.

“Der Paragraph 219a ist veraltet und überflüssig. Er behindert das Anrecht von Frauen auf sachliche Informationen”, schreibt Hänel im Petitionstext.

Am Dienstag hat die 61-Jährige ihre Petition in Berlin an Bundestagsabgeordnete überreicht. Mehr als 150.000 Unterstützer haben sie inzwischen unterzeichnet. Nun sei die Politik gefordert, sagte Hänel.

#KristinaHaenel, Du warst toll. Super Aktion vor dem Reichstagsgebäude. Weg mit dem #219a. pic.twitter.com/1x5lGuM0xf

— Kersten Artus (@Kersten_Artus) December 12, 2017

Union will am Paragraphen festhalten

Einige Politiker sind durchaus gewillt, den Paragraphen abzuschaffen.

“Wir sagen Ja zur Entkriminalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen”, schrieb Linke-Chefin Katja Kipping am Dienstag auf Twitter.

Grünen-Abgeordnete Ulle Schauws lobte: “Kristina Hänels Kampf für eine selbstbestimmte Entscheidung von Frauen ist bewundernswert. Wir Grünen plädieren für eine Streichung von Paragraph 219a”.

Auch FDP-Fraktionsvize Katja Suding findet: “Paragraph 219a macht sachliche Aufklärung über einen Schwangerschaftsabbruch unnötig schwer”. Ihre Partei unterstützt die Abschaffung von 219a ebenfalls.

Die sozialdemokratische Gesundheits- und Gleichstellungssenatorin Dilek Kolat sagte der “taz”: “Frauen haben sich in Deutschland das Recht auf Schwangerschaftsabbruch erkämpft. Dass darüber nicht informiert werden darf, ist absurd. Der Paragraph muss weg, und zwar schleunigst.“

Anders sieht das allerdings die Union: “Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion hält am Werbeverbot für Schwangerschaftsabbrüche nach Paragraphen 219a StGB grundsätzlich fest”, erklärt die rechtspolitische Sprecherin der CDU/CSU-Bundestagsfraktion Elisabeth Winkelmeier-Becker auf der Webseite der Union.

“Es darf kein Geschäftsmodell gefördert werden, das auf der Tötung ungeborenen Lebens beruht”, schreibt sie. Wer den Paragraphen ersatzlos aufheben möchte, müsse in Zukunft mit offener Werbung für Abtreibung im Internet, Fernsehen und in Zeitschriften rechnen, meinen die Konservativen.

Wie die rechtspopulistische AfD zu Schwangerschaftsabbrüchen steht, lässt eines ihrer Wahlplakate erahnen: “Neue Deutsche? Machen wir selber!” konnte man im Vorfeld der Bundestagswahl an zahlreichen Straßenlampen in der Bundesrepublik lesen.

Zudem ist AfD-Vizevorsitzende Beatrix von Storch beim “Marsch für das Leben”, bei dem jedes Jahr in Berlin Tausende gegen Abtreibung und Sterbehilfe demonstrieren, mehrfach vorneweg gegangen.

Mehr zum Thema: Wie die AfD mit Abtreibungsgegnern paktiert – und warum uns das beunruhigen sollte

Hänel: Gesetz verhindert keinen Schwangerschaftsabbruch

Der Paragraph 219a des Strafgesetzbuches hat eine dunkle Vergangenheit: Er wurde 1933 von der NSDAP eingeführt:

“Wer zu Zwecken der Abtreibung Mittel, Gegenstände oder Verfahren öffentlich ankündigt oder anpreist oder solche Mittel oder Gegenstände an einem allgemein zugängliche Ort ausstellt, wird mit Gefängnis bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.” (Quelle: Reichsgesetzblatt vom 29. Mai, 1933)

Wer glaubt, die Gesetzgeber von 1933 hätten beim Erlass von 219a einzig und allein den  Schutz des ungeborenen Lebens im Sinn gehabt, sollte sich auch ein anderes Gesetz aus der NS-Zeit anschauen: Das „Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses“ ermöglichte es, als vermeintlich minderwertig befundenes Leben durch Zwangsabtreibung zu beenden und “rassisch Minderwertige” zu sterilisieren.

Wie kann es sein, dass ein Relikt aus der Nazi-Zeit im Jahr 2017 immer noch das Selbstbestimmungsrecht von Frauen beschneidet?

Ärztin Hänel sieht darin jedenfalls keinen Sinn. “Der Paragraph 219 verhindert keinen einzigen Schwangerschaftsabbruch”, versichert die Ärztin. “Selbst in Ländern, in denen die Todesstrafe darauf steht, finden Frauen einen Weg, abzutreiben.”

Das Abtreibungsrecht in Deutschland ist ohnehin sehr streng reguliert.

Denn ein Schwangerschaftsabbruch ist in Deutschland nach wie vor illegal. Wenn die Schwangere jedoch bestimmte Voraussetzungen erfüllt, bleibt er straffrei.

Wer in Deutschland abtreiben will, muss eine sogenannte Schwangerschaftskonfliktberatung in Anspruch nehmen. Erst danach bekommt die Patientin eine Bescheinigung und eine Liste mit Ärzten, die einen Abbruch durchführen.

Mehr zum Thema: Ich hatte eine Abtreibung – das hat mir geholfen, eine bessere Mutter zu sein

Abtreibung soll nicht als etwas Normales betrachtet werden

Wieso aber sollte sich eine Frau nicht vorab darüber informieren dürfen, welcher Arzt ihr weiterhelfen kann? Diese Frage stellt sich Helmut Satzger, Professor für Strafrecht an der LMU München.

“219a soll dazu beitragen, dass ein Schwangerschaftsabbruch nicht als etwas Normales betrachtet wird”, erklärt Jurist Satzger das Argument für den Paragraphen. “Wenn öffentlich Werbung für Abtreibung gemacht werden dürfte, könnte der Eindruck entstehen, dass Schwangerschaftsabbrüche im Allgemeinen von der Rechtsordnung gebilligt werden.”

Allerdings plädiert auch Satzger dafür, den Paragraphen abzuändern: “Anpreisen sollte – wenn überhaupt – als Ordnungswidrigkeit geahndet werden, nicht als Strafbestand.”

Ebenso sei es möglich, dass ein entsprechendes Revisionsurteil im Verfahren gegen Kristina Hänel die Auslegung des Paragraphen restriktiv festsetzt. Dann wäre klar, welche Angaben zum Schwangerschaftsabbruch Ärzte machen dürfen und welche nicht.

Wie die “taz” berichtet, wollen sich FDP, Grüne, Linke und SPD am Mittwochmorgen zu einer gemeinsamen Arbeitsgruppe zusammenfinden. “Wir werden jetzt mit den anderen Fraktionen eine gemeinsame interfraktionelle Initiative ausloten“, sagte die stellvertretende Fraktionsvorsitzende der SPD, Eva Högl, der Zeitung.

www.huffingtonpost.de/entry/arztin-wegen-abtreibung-verurteilt-jetzt-kampft-sie-dafur-den-paragraphen-abschaffen-zu-lassen_de_5a2fec36e4b04617543385bf


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